In der Nase süß holzig, umgeben Waldnoten unseren würzigen BIO Zirbenlikör. Der Geruch nach Bergkiefer erinnert an die Sage von den weißen Ötschergämsen. Eine Sage von den Saligen, einem hochmütigen Jägersmann und den weißen Gämsen mit den goldenen Krickerl.
Im Juni besorgt unser Senior Chef die frischen roten Zirbenzapfen und dann muss es schnell gehen. Wir hacken die harzigen Zirben, um sie dann mit selbstgebranntem Korn anzusetzen.
Als die Lehren des Christentums auch in unserem Land immer stärker verbreitet wurden, zog sich die heidnische Göttin „Holda“ mit ihren Dienerinnen, den „seligen Fräulein“ enttäuscht in die Einsamkeit der Alpenwelt zurück. Diese freundlichen Lichtgestalten hausten von nun an in Höhlen und Schluchten und mieden die treulosen Menschen, von denen sie allzu oft Undank empfangen hatten. Auch das Ötschergebiet bot in alten Zeiten den Saligen, wie sie im Volksmund genannt wurden, eine sichere Heimatstatt.
Ihre unterirdischen Gemächer hatten sich die schönen Elfen märchenhaft eingerichtet, der größte Prunksaal im Ötscher hatte Wände aus schimmerndem Bergkristall, die Säulen die das rosafarbene Gewölbe trugen, waren mit Smaragden und Rubinen ausgelegt und der Boden erglänzte in Gold und Diamanten. Doch gab es innerhalb des Berges auch wunderschöne Gärten in unvergänglicher, paradiesischer Pracht. Dieses Wunderland belebten die seligen Fräulein, sie pflegten die Blumen, ernteten die süßen Granatäpfel und spannen auf goldenen Spinnrädern seidenweichen Flachs.
Besonders aber betreuten die Saligen ihre kleine Herde weißer Gämsen. Das Fell dieser Gämsen war schneeweiß, die zierlichen Hufe und die fein gebogenen Krickerl aus purem Gold. Im Sommer wurden die Tiere von treusorgenden Hüterinnen auf die Bergalmen an der Erdoberfläche getrieben. Aber wehe, sobald die Menschen dieser wunderschönen Tiere ansichtig wurden, erwachte bei allen Männern der Gegend eine ungezügelte Jagdleidenschaft.
Leib und Seele setzten die Tollkühnen aufs Spiel um die weißen Gämsen zu erlegen. Die schönen Jungfrauen zogen sich daraufhin wehklagend in das Berginnere zurück und die Elfenkönigin beschloss, dass jeder, der künftig eine weiße Gams töten sollte, noch im selben Jahr sterben müsse.
Dieser Racheschwur erfüllte sich fortan und jeder Jäger, dem es gelang, eines der kostbaren Tiere zu schießen, bezahlte es alsbald mit seinem Leben.
Über die Jahrhunderte ließen sich die Fräulein mit ihren Gämsen nur noch selten erblicken und jener tollkühne Jagdeifer geriet in Vergessenheit. Gut 200 Jahre später, tauchte jedoch wieder eines der goldgehörnten Tiere im Ötschergebiet auf. Die Kunde davon verbreitete sich rasch und ein junger Bursche aus Lunz erbot sich, die Gams – koste es was es wolle – zu erjagen.
Die alten Geschichten vom verhängnisvollen Schwur der Elfenkönigin bedeuteten ihm nicht mehr als ein kindliches Märchen, und so nahm er die Verfolgung der weißen Gämse auf. Nach nur wenigen Wochen hatte er Glück und es gelang ihm der ersehnte Schuss. Am Abend wurde der junge Jäger in Lunz gar festlich begrüßt, obwohl die allzu Ängstlichen jeden Augenblick sein Ende mit Schrecken erwarteten. Aber nichts geschah!
Die Zeit verging, doch der glückliche Schütze bleib am Leben und hatte hohes Ansehen gewonnen. Das Jahresende kam heran und der Gamsjäger lud all seine Bekannten zu einem lustigen Silvesterabend in ein schmuckes Gasthaus ein.
Die besten Speisen wurden aufgetischt und köstliche Weine hoben die Stimmung der Anwesenden von Stunde zu Stunde. Je näher die Mitternacht heranrückte, desto toller wurde die Ausgelassenheit. In seiner Neujahrsansprache schließlich, erhob der junge Jäger sein Glas voll Spott auf die Elfenkönigin, deren Fluch nichts weiter als ein uraltes Märchen wäre.
Der Jägersmann trank seinen Gästen zu, leerte sein Glas auf einen Zug und sank auf seinen Sessel zurück. In ebendiesem Moment ertönten die zwölf Schläge der Kirchenuhr und auf dem Sessel lag ein Toter. Noch in den letzten Minuten der Silvesternacht hatte die Elfenkönigin ihren Schwur erfüllt: Jeder der eine weiße Gams tötet muss im selben Jahr sterben.
Seitdem hat man am Ötscher nie wieder eine weiße Gams gesehen.
(Frei zusammengefasst nach Jolanthe Haßlwander 1982; Illustrationen Klara Naynar)